Dienstag, 13. Januar 2009

13.01.2009, Dienstag, wieder in Chacas

Der Himmel hängt heute tief, bis zu den Dächern der kleinen Häuschen. Es regnet schon die ganze Nacht. Ich weiss es, weil ich gestern, großkotzig versichernd dass es mir nichts ausmacht, noch abends einen Kaffee nach dem Abendessen, getrunken habe. Af der Höhe macht es mir verdammt viel aus, verdammt noch mal... Ich weiss nicht wie viele Minuten vor dem Aufwachen ich eingeschlafen bin, aber es dürfen nicht viele gewesen sein. Aber zumindest durch meine Maurerbräune und einwenig Liedschatten wird man die Wirkungen einwenig verstecken können.

Vor 2 tagen, am Sonntag, sind Anna (Ales Schülerin aus Bozen und Tochter eines Volontarpaares von hier), Ale und ich nach Tomanga gefahren. Der Fahrer hatte eine hier unbedeutende Verspätung von 2 Std. Und so sind wir statt um 7.30 um ca. 10 gestartet. Die 3,5 stündige Fahrt im Geländewagen, durch aufgeweichte, schlammige Wege, war wahnsinnig wunderschön. Es gibt keine Worte, die Gefühle beschreiben, die ich hatte, als wir durch die Berge durchfuhren. Kein Foto kann die Schönheit, die Größe, die Tiefe, die Vielfalt der Natur hier wiedergeben. Es war Region in der es noch Pumas und Bären gibt, in der Tarantel, trotz der Höhe zu Hause sind (auch hier in Chacas - vor der Tür der Pfarrei, brrrr.....) Ich wundere mich, wie konnte man den Winetou in Jugoslavien drehen, das wäre doch hier IDEAL. Ich hatte wirklich das Gefühl, gleich irgendeinen rothaarigen Schönling auf seinem Mustang zu sehen. Was man aber wirklich begegnet ist grenzenlose Armut, Verfall und Hoffnungslosigkeit. Wie soll man auch etwas brauchbare aus diesen schlammig-steinigen Hängen rausholen? Mit blossen Händen, oder Feldgerätschaften, die man bei uns in der Antike verwendet hat? Man sieht die kleinen Feldparzellen bis zu Bergspitzen, aber da wächst kaum was, entweder es vertrocknet oder wird weggeschwemmt. Und in Europa werden gerade Gurken subventioniert...

Tomanga ist Name für einen Ort, für ein Stück Erde, auf dem es nur paar Gebäude gibt in denen es ein Kinderheim gibt. Total isoliert, die Brücke um den Fluss zu überqueren, um das Haus zu erreichen ist kaputt und hängt nur noch auf einem Balken und alles muss zu Fuss rüber getragen werden. Man weiss nicht wann und ob überhaupt sie repariert wird. Ich schaffte es nicht meine Angst vor dem schnellen Wasserstrom zu überwinden und sie alleine überqueren. Auf dem anderen Ufer warteten schon Kinder, die uns die Kästen mit Glasscherben und Werkzeugen zu tragen halfen.

Im Haus wurden wir einzeln mit Gesängen und Umarmungen von ca. 20 wunderschönen Kindern begrüßt. Es war sehr bewegend. Zum Mittag servierten uns Kinder, die alle eine Aufgabe hatten, dem Alter entsprechend natürlich und NICHT dem Geschlecht was absolut unselbstverständlich ist. Nach dem Essen fing Ale und Ana den Kurs an. Die Kids waren fantastisch! Sehr interessiert, diszipliniert, begabt und gaaaaaaaanz süüüüüüüüß! UND die Mädels waren VIIIIIEEELLL besser als die Jungs, logischer, begabter, schneller und genauer. Na ja eigentlich wen wundert's? :-)))

Geplannt war es eigentlich, dass wir morgens ankommen und abends wieder zurück fahren, aber durch die Verspätung und regenbedingt schlechte Straßen, kamen wir erst Mittags an und konnten es den Kindern nicht antun so schnell wieder abzubrechen So haben wir beschlossen dort zu übernachten und morgens wieder zu starten. Um 22.30 haben wir die Jungs (weil sie ja die langsamsten waren und bis dahin IMMER NOCH NICHT ihre Arbeiten beendet hatten ;-P ) ins Bett geschickt und sind selbst in den tiefsten Schlaf der letzten Wochen gefallen. Ach wie gut kann man schlafen wenn es einwenig tiefer ist... Und die Kissen waren viel bequemer. Nur wir hatten halt gar nichts dabei um eine Tag länger zu bleiben, nur angebrochenes Päckchen Kaugummis um sich am nächsten Tag die Zähne zu "putzen".

Die ernste Heimleiterin, Patrizia, hatte uns noch vor dem Schlafengehen paar wahre Geistergeschichten, die ihr selbst zugestossen sind, erzählt, und ich bin total terrorisiert und unter Gelächter der Anna in einem stickigem Zimmer in den Schlaf gefallen. Nicht ohne zu kontrollieren ob es Taranten unter meinem Bett gibt. Die sind nämlich dort sehr verbreitet und tauchen auch öfters im Haus, im Speisesaal etc. auf. Sie SPRINGEN und SPRITZEN Gift!!!! Die beste Methode sie umzubringen soll das Bespritzen mit Alkohol und anzünden sein. hmm.... weiss nicht ob ich das gut finde. Wenn man sie aber erschlägt spritzen sie auch Gift. Na ja. Bis jetzt hatte ich nur ein Mal Kontakt mit einer roten Tarantel und die war klein und kroch aus einer Kiste aus der wir etwas herausnehmen wollten. brr.... igitt... Ich kriege jetzt noch Schüttelfrost wenn ich daran denke... brrr....
In der nacht ist kein Geist oder Monster zu mir gekommen um sich an meinem Bett zu setzen und laut zu atmen, oder ich habe es halt nicht mitbekommen, so müde war ich durch die Schlaflosigkeit in Chacas.

Nach dem Frühstück haben wir noch die restlichen Tiffany-Arbeiten gelütet und warteten erneut auf den Fahrer. Zum Abschied haben de Kinder für uns gesungen, kleine Kunststücke vorgeführt, uns ihre Arbeiten geschenkt - Steine mit Madonnenbildern - geschenkt und sich mit unseren Fotokameras gegenseitig Fotografiert (ich hoffe die Fotos in die Gallerie "uploaden" zu können) bis die Akkus komplett leer waren. Der Moment des Abschieds war unglaublich rührend, alle haben gefragt ob und wann wir wieder zu ihnen kommen. Das Herz war sehr schwer als wir wegfuhren.

Angekommen in Chacas, fand ich eine "unserer" Armen, die immer zum Essen komme in Tränen aufgelöst. Lydia hat ein undefinierbares Alter, es könnten gut 60 oder 120 Jahre sein. Sie ist wie fast alle Armen-Alten, die in der Pfarrei essen, geistig verwirrt, lebt in eigener Welt und ist einfach absolut liebenswert. Ich umarmte sie ganz fest und sie schluchzte mir ihr Leid in Qetschua und Spanisch in den Nacken. Ich verstand nichts, weiss aus Erzählungen von anderen, dass ihr immer Hühner geklaut werden, die sie gar nicht besitzt, und sie streitet immer mit irgendeiner anderen Frau und dass sie immer solche Anfälle hat. Aber ich konnte sie nicht so lassen. Auch wenn das alles in ihrem Kopf entsteht, so ist es doch für sie sehr real und sehr belastend. Ich schenkte ihr ein kleines Päckchen Glückshormone vom Flugzeug in Form von kleinen Keksen, die sie gleich unter andere anwesenden Armen aufgeteilt hat. Der Hund, der beschlossen hat mir zu gehören und mir überall hin folgt, ist von draussen rein gekommen und so haben wir zu zweit geschafft die traurige Lydia für einige Zeit aufzuheitern. Bis zum nächsten Mal.

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