Samstag, 3. Januar 2009

02.01.2009, Freitag, Chacas

Wie soll man das erklären wo ich bin? Es ist ein Punkt am Ende der Welt, der von einem Menschen, der sein GANZES Leben den Amen gewidmet hat, zu einem Stück besserer Welt gemacht wurde. Die Worte klingen sehr hohl wen man sie in 10.000 km Entfernung liest, sie wecken kein einziges Gefühl, verursachen nichts im Herzen, bewegen nichts.

Doch wer hier ist und sieht die ganzen Menschen, die seit JAHREN hier leben, und seit Jahren als Volontare, mit Familien, mit Kindern und NICHTS eigenes haben und sich gar keine Gedanken darüber machen, da WILL MAN ES NICHT GLAUBEN. Dazu reicht unsere weltliche, eingeschränkte, verkümmerte, "zivilisierte" Vorstellungskraft. Der Zynismus, den man mit sich von zuhause mitbringt, lässt erst mal alle Allarmglocken schrillen, misstrauisch werden. Doch das interessiert hier keinen. Man landet hier sofort in einer Familie zu der man schon immer dazugehört hat nur kurz weg war. Die Unmengen an überall schwirrenden Kindern, die Mama des Monats, die für die leibliche Versorgung aller Hausbewohner und wer Hunger hat, für 1 Monat zuständig ist, die Leute, die in irgendeinem Moment ihres Lebens, wie ich die Möglichkeit hatten, sie wahrgenommen haben und aber einfach hier geblieben sind, weil es noch das oder jenes zu Regel wäre und dann könnte man weiter schauen, - alle werden innerhalb kürzester Zeit zu deiner neuen Familie. Sie wollen nichts von dir, sie wollen nichts für sich, sie sind einfach nur sie, haben sich und ihr Leben gerne, haben alle anderen gern und es hat nichts heuchlerisches an sich.
Und ich weiss, dass auch das klingt sehr hohl in 10.000 km von hier entfernt :-)


Die Arbeitstage sind lang und intensiv als ob es um echtes Geldverdienen gehen würde (Am Sylvester nd Tag danach haben wir ganz normal gearbeitet). Die Ingenieure, Architekten, Buchhalter, Lehrer, Techniker, nach Bedarf Umgeschulte und sonstige Berufe, die hier in der Gegend Ankash einige Hundert (? muss noch genauer nachforschen) ausmachen, gehen ihren Tätigkeiten mit größerer Seriosität und Engagement nach als sie das in Italien gemacht hätten. Schwer nur mit Worten zu erklären, man muss es einfach sehen. Hier, am wahren Ende der Welt, in dem das einzelnen Menschenleben nichts zählt, in dem die Menschen es als wahren Luxus betrachten regelmässig IRGENDETWAS zu essen zu haben, und wir sprechen nicht von warmen oder 2-3 mal pro Tag Mahlzeiten, wir sprechen von einmal pro Tag, jeden Tag, hier gibt es Leute die nur dafür da sind, um ihr Wissen, Fähigkeiten, eine Prise Idealismus und vor allem IHR LEBEN anderen, weniger privilegierten, anzubieten. Ohne etwas dafür haben zu wolle. Alle Personen, die für OMG Tätig sind sind Volontare. Alle um Padre Hugo versammelten Menschen leben hier, unterschiedlich lang, ihr "normales" Leben und wollen nichts dafür. Lösen die "normalen" Alltagsprobleme, erkranken, feiern, erziehen ihre Kindern, arbeiten, treffen sich, und machen all das was Menschen so machen ohne geringste Funken an Eigeninteresse.

Kann man sich das in 10.000 km Entfernung vorstellen? Ich konnte es nicht wirklich, es waren für mich nur Worte.


Und was mache ich hier? Na ja, es scheint so zu sein, dass sie in letzter Zeit ganz dringend jemand wie mich gebraucht haben.
OMG hat in Lima ein Haus gekauft, der vollständig zu Ausstellungs- und Verkaufszwecken der Handwerksprodukte umgebaut wird. Das in einer SICHEREN Gegend, mit Mttelständischen Klientel. Sichere Gegend bedeutet, das man einigermassen sicher zu Fuss spazieren kann, dass Personen ihr Auto sogar am Strassenrand parken können. Und das ist nur in wenigsten Teilen Limas und anderen Städte hier möglich. Scheint das Verschwendung zu sein? Nur im ersten Moment. Hier in Ankash arbeiten HUNDERTE Peruaner für OMG. Sie tun das um ihre Familien zu ernähren, ihre Kinder können zu Schulen gehen. Die wurden alle von OMG gegründet, die Lehrer sind zwar Volontare, aber die Ausstattung, Maschinen für die Berufsschulen, Häuser für Volontare, Pfarreien, Küchen, andere Gebäude, Bücher, Hefte, Material, Schulbänke, Essen für die Kinder (viele Kinder dürfen nur in die Schule gehen, da sie dort zu essen bekommen, dass Bewusstsein für die Bildung ist sehr gering, da durch den Schulbesuch entfallen ja Arbeitskräfte), Werkstätten für die Frauen und Männer, Krankenhaus mit kompletter Ausstattung ... und und und müssen finanziert werden. Kontinuierlich über Jahre hinweg, mit Kopf und Verstand. Die Menschen sollen in Würde ihr Auskommen verdienen und das wird ihnen mit Verkaufsräumen ermöglicht. Sie sind unglaublich begabte Handwerker und leisten sehr viel, das soll mit menschenwürdigen Lohn und keinem Almosen entlohnt werden.
Also es gibt dieses Haus, eine alte Villa, in sehr schlechtem Zustand, die jetzt renoviert und Umgebaut wird (das Architekturbüro in Lima hat die komplette Beleuchtung gespendet) und braucht ein Corporate Identity, es soll zu einer Marke werden, zu einem Zeichen für die Klientel. Also es braucht ein Logo, komplette Geschäftsausstattung wie Briefpapier, Visitenkarten, Einladungen zu Ausstellungen, Kataloge, Fax, Türschild, Etiketten für Produkte etc. etc. etc. Das war das Projekt, welches ich direkt nach der Ankauft bekommen habe.
Arbeit auch noch für Monate nach der Rückkehr nach Hase.


Ein anderes Projekt habe ich in Shilah (für die Schreibweise übernehme ich keine Garantie) wo es eine Frauengenossenschaft gibt, die Textilien aller Art produziert. Die Kollektion wird von einem Stylisten in Italien betreut (natürlich gratis). Er war einige Zeit hier und hatte mit den Frauen Kleider entworfen, deren Schnitte, Größen, Stil usw. von Italien aus weiter betreut. Im September gibt es hier in Lima eine Modeschau an der sie teilnehmen werden (könnt Ihr Euch die Aufregung der Schneiderinnen vorstellen?), allerdings fehlen ihnen komplett die passenden Accessoires. Ich fahre jetzt am Sonntag mit dem lokalen Bus (der Start des Unternehmens wurde selbstverständlich von Padre Hugo ermöglicht; Fahrpreis ist für die Einheimischen erschwinglich, keine Werbung für die Firma nötig) um mit den Frauen eine Kollektion zu entwerfen. Die Mittel in im Moment sehr begrenzt, da es keinen Bastelladen um die Ecke gibt, wo wir den Zubehör kaufen könnten. Aber wir haben Schreiner die uns Holzperlen, Gläser Glasperlen machen können. Ausserdem gibt die Natur einige wunderschöne Samen her und unsere Köpfe die nötige Kreativität dafür her :-)

Und dann bleibt noch die Gläserei, die von mir die Entwürfe für unterschiedliche Objekte brauchen wird, sobald wir alles zum Leben erweckt haben (gestern haben wir den ganzen Tag eingeräumt, Maschinen aufgebaut, Elektrik verlegt usw.
Und dann das Sammeln von Material für Werbeunterlagen für OMG Chacas, da von alleine läuft nichts. Also Fotos machen, Werkstätte aller Art besuchen, mit ihren Leitern sprechen, sortieren, für weitere Verarbeitung (Kataloge, Internetseite etc.) in Italien vorbereiten. Das sind aber erst 3 Tage dass ich hier bin. Es kommt garantiert noch mehr dazu :-)

Jetzt noch etwas alltägliches und dann Schluss für heute:
- Es gibt Duschen mit warmen Wasser! Halleluja!
- Es gibt Trinkwasser und damit geringere Durchfallgefahr.
- Es gibt genug zu essen
- Das Wasser im Wasserhahn ist noch flüssig aber doch so kalt um jedes Zahnfleischbluten in Sekundenbruchteilen zu stoppen.
- Die Strassenhunde sind sehr lieb und ich habe schon einen hübschen schwarzen Verehrer, der auf mich immer vor der Tür wartet.
- Ich lerne gerade alle Dialekte Italiens kennen und bin verwundert wie unverständlich das alles sein kann.
- Habe gelernt, dass die Flöhe über die Beine hochklettern und dass es sehr juckt wenn sie sich an meinem Körper bedienen - ein Flohband im Bett ist was ganz tolles, da gehen sie wahrscheinlich zu anderen essen :-)
- Es ist warm und es regnet gelegentlich, was sehr gut ist, das jetzt di Pflanzzeit ist und seit einigen Wochen hatte es nicht mehr geregnet in der Region und schon viele Felder sind kaputt gegangen und viele Menschen werden hungern müssen.
- Die Pfarreien von Padre Hugo kauft Essen von den Bauern
- Es gibt Fleisch zu essen, da sie vor Weihnachten und wegen der Hochzeit der Adoptivtochter von Padre Hugo 3 Tiere geschlachtet haben. Das ist aber bald zu ende. Der alte Stier, der sein Leben wegen Alter und noch verwendbares Fleisch geben musste ist sehr zäh und ich hoffe, dass wir ihn gestern abend zu ende gegessen haben, ansonsten nutzen sich die Kauzähne zu sehr ab.
- Hunde dürfen hier in die Kirche rein
- Die Gletscher sind auch hier am Aussterben. Sie versorgen noch im Moment unglaublich grosse Landstriche mit Wasser. Was passiert mit den Menschen hier, wenn sie nicht mehr da sind? Unsere Grenzkontrollen werden immer schärfer aber der Selbsterhaltungstrieb des Menschen ist auch nicht ohne. Werden sie einfach verdursten?
- Peruaner sind klein
- Es riecht hier überall nach Eukaliptus! Fantastisch!
- Wegen Konflikte der Signale von Satelitarantene zwischen Krankenhaus, den Büros und was weiss ich wurde das Wireless-Internet für normalsterbliche (also alles ausser Krankenhaus) abgestellt. Zur Verfügung steht eine übliche Leitung mit einem Modem der 1. oder 2. Generation ;-) uNd das auch nur wenn ich die Person mit dem Büroschlüssel finde.

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